Inhalt
1. Motivation für diesen Debattenbeitrag
Ich muss gestehen, es ärgert mich schon sehr. Eines meiner Webprojekte ist einem algorithmischen Google Update zum Opfer gefallen, mit dem niedlichen Namen „Penguin“, der leider in seinen Wirkungen nicht so niedlich ist, wie man meinen könnte. Das besagte Projekt hat knapp 90% seiner Sichtbarkeit in den organischen Suchergebnissen eingebüßt und rund 50% des Traffics verloren. Dass das für den Umsatz und mithin meine Einnahmen nicht sehr förderlich ist, mag jedem einleuchten. Aber darum geht es hier jetzt nicht, sondern um die (Ohn)Macht von Algorithmen.
Google hat sich für seine Suchergebnisse einen solchen ausgedacht, um also computer-mathematisch gesteuert entscheiden zu können, welche Website zu einer bestimmten Suchanfrage die besten Ergebnisse liefert und folglich auf den wichtigen ersten fünf Plätzen in den SERPs (Search Engine Result Page) zu sehen sein muss. Auch wenn laut Googles Angaben einige hundert Faktoren zur Bestimmung der Relevanz einer Seite verwendet werden, ist einer der wichtigsten Faktoren der Hyperlink. Also ein Link von einer Website auf eine andere, der als eine Art Empfehlung angesehen wird. Der Gedanke dahinter: Verlinken gute und relevante Seiten auf eine andere, muss die andere auch eine gute und relevante Seite sein und folglich besser in den SERPs zu sehen.
Man kann sich nun leicht vorstellen, dass dieser Gedanke, der ja im Prinzip gut und richtig ist, sehr anfällig für Manipulationen ist. Denn wenn es darauf ankommt, Links von guten und relevanten Seiten auf seine eigene zu bekommen, muss man also nichts weiter machen, als sich Links zu „besorgen“. Das lässt sich auf vielfältige Art und Weise erledigen und jahrelang haben die sogenannten SEOs (Search Engine Optimization) nichts weiter machen müssen, als Links von guten Seiten zu organisieren. Bis zum 24./25. April 2012! Dann hat es PENGuin gemacht.
2. Der Penguin Algorithmus und seine Folgen
Mit diesem niedlichen Algorithmus Update hat Google dem Treiben der SEOs einen dicken Riegel vorgeschoben, man kann schon sagen, dass das die ganze SEO Szene mal so richtig durcheinander gewirbelt hat, und viele Internetseiten aus den vorderen Positionen in den Suchergebnissen verschwunden sind. Es sind in einzelnen Fällen wohl ganze Existenzen vernichtet und Firmen in den Ruin getrieben worden. Freilich will ich die Schuld dafür NICHT Google in die Schuhe schieben, zumal die Warnungen vor zu vielen (manipulativen) Links lange vorher von Google publiziert wurden. Auf jeden Fall aber ist man bei Google der Meinung, dass man eben diese manipulativen-unnatürlichen Links von den guten und freiwillig gesetzten (Links) Empfehlungen unterscheiden kann und das ist die Basis des Penguin Algorithmus.
Hat nun eine Seite „zu viele“ (wobei niemand genau weiß, wie viele zu viele sind) dieser unnatürlichen Links, schlägt der Algorithmus zu und die Seite verschwindet nahezu aus den Suchergebnissen, schlimmstenfalls komplett aus dem Google Index. Und nun kommt – du ahnst es sicher schon – wieder die Anfälligkeit für Manipulationen ins Spiel. Wenn man also will, dass die Seite eines Konkurrenten aus den Suchergebnissen verschwindet, muss man nichts weiter machen, als massenhaft unnatürliche Links auf die Seite verweisen zu lassen und dann nur noch warten, bis es PENGuin macht. In Fachkreisen wird das auch NegativeSEO genannt. Solche Services kann man in den dunklen Ecken des Internet für eine Handvoll Dollar/Euro kaufen, wie dieser Screenshot aus einem einschlägigen Internetforum zeigt. Und genau das ist bei meinem Projekt passiert. Und nicht nur bei meinem, ich weiß von befreundeten Webworkern, die sich in derselben lukrativen Nische tummeln oder auch thematisch gänzlich anders gelagerten, dass auch deren Seiten massiv betroffen sind, mit zum Teil ähnlich düsteren Ergebnissen. Und wenn du dich nun fragst, was das alles mit dem Papst zu schaffen hat, musst du noch etwas weiter lesen, denn das Problem ist nicht der Penguin allein, sondern der Umgang mit diesem und ähnlichen Algorithmen.
3. Was hat nun der Papst mit Google gemeinsam?
Google und der Papst haben mehr gemeinsam als man denken mag, nämlich das Dogma der Unfehlbarkeit. Der Papst ist durch göttlichen Willen (jedenfalls ex cathedra – als Lehrer aller Christen) unfehlbar und Google durch mathematische Eindeutigkeit in Form von Algorithmen. Frage ist, kann ein von Menschen erdachter Algorithmus, also eine Formel überhaupt unfehlbar sein? Ich meine NEIN!
Nun ist das Dogma der Unfehlbarkeit nicht alles. So wie die Institution Kirche in das Leben der Gläubigen dringt, versucht auch Google in unser Leben zu dringen – vornehmlich, um es uns leichter zu gestalten. Und das wohl mit deutlich mehr Erfolg als die Institution Kirche. In Deutschland nutzt praktisch jeder die Google Suche. Das wird etwa im Duden manifest, hier ist das Wort „googeln“ eingetragen als: „mit Google im Internet suchen“ Auf den meisten Smartphones, die in Deutschland verkauft werden, läuft Googles Betriebssystem Android. Der Marktanteil in Deutschland liegt derzeit bei rund 80% (Quelle: Statista.com). Viele User surfen mit Googles Webbrowser „Chrome“, aktuell liegt der Anteil der weltweiten Nutzung bei rund 50% (Quelle: Statista.com) Mit der Übernahme des Thermostatherstellers „Nest“ versucht Google die Vision vom vernetzten Haus Wirklichkeit werden zulassen. Google betreibt Windenergieanlagen zur Stromproduktion, ist gleichzeitig auch Internetzugangsprovider, entwickelt selbstfahrende Autos und noch Vieles mehr. Die Vision von Google ist nicht eine perfekte Suchmaschine zu entwickeln, sondern Informationen zu gewinnen. Und all diese Geräte und Software Systeme füttern Google mit Informationen und zwar Informationen über UNS. Der Zweck dahinter ist die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz wie im folgenden Video erklärt wird. (Tipp am Rande, der Film ist so gut, dass ihr den auch komplett anschauen und teilen könnt.)
3.1 Wird Google die Religion der Zukunft?
Diese Frage ist durchaus ernst gemeint und wir sind vermutlich gut beraten, die Entwicklung im Auge zu behalten, denn es gibt weitere Parallelen. Schauen wir uns einmal die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit im folgenden auszugsweisen Zitat aus der Wikipedia an:
[…] Diese endgültigen Entscheidungen des Römischen Papstes sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich. Wenn sich jemand — was Gott verhüte — herausnehmen sollte, dieser unserer endgültigen Entscheidung zu widersprechen, so sei er ausgeschlossen.
Der letzte Satz ist der entscheidende, denn auf das Beispiel des Penguin Algos angewandt, wird klar, was passiert, wenn man sich nicht an die Regeln halten will – es folgt unweigerlich der Ausschluss! Ist also der Algorithmus der Meinung – ob korrekt entschieden oder nicht – dass ein Manipulationsversuch vorliegt, folgt mindestens eine Rückstufung in den Suchergebnissen, was zur Folge hat, dass eine Internetseite praktisch nicht mehr in der Suche zu finden ist, im schlimmsten Fall wird die Seite sogar komplett aus dem Google Index entfernt. Und nun nehme man das folgende Zitat zur Kenntnis, das aus einem Kommentar auf einer bekannten SEO Experten Seite stammt:
[…]Also he doesn’t care one bit that it is as you say holding down webmasters (which I wholeheartedly agree). He considers the penguin affected sites „spammy“ anyway and are second class citizens in his view. This was very apparent in our talk – which was a large part of my inspiration for writing that moral article.[…]
Der relevante Satz ist der unterstrichene, der Matt Cutts zuzuordnen ist. Zur Erklärung, Matt Cutts war bis vor kurzem der Kopf des Google Web Spam Teams, also der Chef der Abteilung, die sich vermutlich den Penguin ausgedacht hat. Und der sagt frei übersetzt, dass alle Seiten, die vom Penguin abgestuft wurden minderwertiger Spam und zweitklassig sind. Gut, das mag für einen Teil zutreffen oder nicht, ich will mir da keine Spekulationen erlauben, aber ein so pauschales Urteil von einem so wichtigen Kopf macht mich doch sehr nachdenklich. Wenn wir den Gedanken von den Parallelen fortsetzen, muss man wohl sagen, dass Matt der Präfekt der Glaubenskongregation ist, das nannte man vor 500 Jahren noch Großinquisitor!
Und noch eine letzte Parallele lässt sich identifizieren, wenngleich diese hoffentlich eher humoristische Züge trägt. Wir alle kennen die Legende, wonach Mose auf den Berg Sinai stieg, und dort die, ihm von Gott genannten, zehn Gebote in Steintafeln gemeißelt habe. Mir ist jetzt nicht bekannt, dass es in Mountain View (wer es nicht weiß, dort ist das Google HQ) einen Berg mit einer Steintafel gäbe, aber zumindest die zehn Gebote von Google gibt es schon, wie ihr hier – unter dem Reiter: „Woran wir glauben“ – nachlesen könnt 😉
4. Ein vorläufiges Fazit
Nun habe ich sicher alle Leser lang genug mit quasi-religiösen Theorien genervt. Ich will auch gar nicht in das Horn derer blasen, die sich grundsätzlich über den Penguin oder ähnliche Algorithmen beschweren. Bei Google sind eine ganze Menge sehr intelligente Menschen beschäftigt, die daran arbeiten, neue Produkte zu kreieren oder bestehende Produkte zu verbessern, die unser aller Leben leichter machen sollen. Dazu sind massenhaft Informationen erforderlich, die wir Nutzer Google ständig zur Verfügung stellen, ob wir wollen oder nicht. Diese Informationen werden verwendet, um die unzähligen Algorithmen zu verbessern und so der Vision einer künstlichen Intelligenz sukzessive näher zu kommen.
Nur zeigt eben das Beispiel vom Penguin Algorithmus, dass diese mitnichten unfehlbar sind. In Deutschland wird kontrovers über den Einsatz von Kampfdrohnen debattiert. Was ist, wenn in Zukunft nicht mehr ein Mensch auf Basis möglicherweise fehlerhafter Informationen über den Raketenabschuss entscheidet, sondern ein Computeralgorithmus? Was ist, wenn ein Algorithmus darüber entscheidet, welches Verhalten möglicherweise verdächtig ist und welches nicht? Dabei gäbe es, um beim Penguin zu bleiben auch Alternativen. Google könnte die manipulativen Links einfach nicht in die Bewertung einbeziehen, anstatt sie zu sanktionieren und damit möglicherweise die Falschen zu treffen. Das würde zugleich auch den sogenannten BlackHatSEO einen Strich durch die Rechnung machen, denn ihr System vom Churn and Burn funktioniert damit auch nicht mehr.
So wie es 100% Sicherheit nicht geben kann, weil jedes System, dass von Menschen erdacht wurde, von anderen Menschen überwunden oder geknackt werden kann, gibt es auch keine 100% richtigen Algorithmen. In Googles Führungsetage scheint man da anderer Meinung zu sein und kritische Diskussionen über Produkte (etwa die Datenbrille Google Glass) finden in der Öffentlichkeit nicht statt, da gehören sie aber hin und ich würde mir wünschen, dass Google solche Diskussionen maßgeblich anstoßen würde.
Aber halt, das geht natürlich nicht, denn Google ist ja keine Religion, sondern eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die ihren Shareholdern einen Value zu bieten hat!
5. Update 08.08.2014 um 16:33 Uhr:
Nils hat mich auf zwei Punkte hingewiesen, die ich korrigieren, bzw. präzisieren will. In der ursprünglichen Fassung schrieb ich unter dem Link zum Duden: „googeln heißt das Internet durchsuchen“ Es muss aber heißen: „mit Google im Internet suchen“ was im Text korrigiert wurde.Zweiter Punkt, wenn ich oben schreibe, dass SEOs jahrelang nichts anderes machen mussten, als Links zu besorgen, sind damit keineswegs alle SEOs gemeint gewesen. Diejenigen, die so guten Inhalt geliefert haben, dass sie freiwillig verlinkt oder geteilt werden (und damit im positiven Sinne dem Algorithmus entsprochen haben), dürften vom Penguin nicht getroffen worden sein, jedenfalls nicht, solange es keine Versuche von NegativeSEO oder anderen faulen Tricks gab 😉 Letztlich bleibt anzumerken, dass nicht jeder Versuch einen Konkurrenten „abzuschießen“ auch zum gewünschten Erfolg führt.
Rob meint
Tja, gib zu korrumpierenden Menschen „Macht“ und sie nutzen sie aus. Ähnlich ist es mit Google ja auch. Vor allem in Deutschland unangefochtener Marktführer, können die Jungs sich leider fast alles erlauben.
Aber cool geschriebener Artikel! *Like*
Bastie meint
Allerdings ja, wenn man bedenkt, dass Information = Macht ist, gewinnt das ganze Spiel noch besondere Brisanz 😉
Til meint
Ich wette um 100 Euro, das Google in 3-5 Jahren seine Macht verloren hat.
Bastie Wendt meint
Hallo Til, also das ist mal eine Ansage und die Wette nehme ich an! 🙂 (wobei wir uns dann noch über eine Definition des Begriff „Macht“ unterhalten müssen) Also der aktuelle Justizminister Heiko Maas hatte in einem Interview mal etwas angedeutet, dass man Google auch zerschlagen könne, wenn die ihre Marktmacht zum Ausbau eines Monopols missbrauchen würden. Ich bin gespannt und wir lesen uns spätestens in 3 bis 5 Jahren wieder, sauber! 😀
Til meint
Alles klar! Für die Definiton von Macht schlage ich mal spontan vor: Statt 90% aller Suchanfragen, maximal nur noch 50-60% (oder weniger).Ein paar Crashs im Umsatz, sowie eine breite Anti-Stimmung in der „Bevölkerung“.
Bastie Wendt meint
Das klingt gut 🙂 oder wie man auch sagen kann: „Top, die Wette gilt!“ Wobei ich mir die ablehnende Haltung in der deutschen Bevölkerung durchaus vorstellen kann…
Vomitorium meint
Richtig, Google zerschlagen – das zeigt die Allmachtsfantasien drittklassiger Politiker aus Michel-Land. Das ich nicht lache.
Der gute (~schlechte) Politikerfuzzi will also aus Deutschland heraus ein Unternehmen zerschlagen, dass in den USA beheimatet ist?
Interessant, könnte mir zwar nicht vorstellen, wie er das bewerkstelligen will (da würden die USofA auch noch drüber lachen, wenn die EU TTIP bedenkenlos unterschreibt)
Und ja, ich kann mich noch gut an den Microsoftprozess erinnern, da ich schon etwas älter als 18 bin. Auch damals ging es nicht um die Frage, ob die EU(!!!) MS zerschlagen kann, sondern lediglich um die Frage wie MS etwas gezähmt werden kann, wie der Prozess ausging wissen die meisten wohl noch.
Wie sollte eine deutscher Spaßpolitikbirne auch auf das US-Rechtssystem dahingehend Einfluß nehmen können, dass dort irgendein Court sagt: „Google, du wirst jetzt aufgespaltet“ – ein US-Richter könnte das vermutlich in Bewegung setzen, aber warum sollte er sich dazu von irgendeinem Michel-Dödel beeinflussen lassen bzw. vom Michel-Dödel das „vorschreiben“ lassen – der Michel-Dödel hat schlicht keine rechtliche Handhabe in den USofA?
Beim MS Prozess ging es ausserdem noch darum, dass die Software „physisch“ mit den Rechnern verbundled wurde – ein durchaus „komplizierter“ Schritt im Vergleich zum reinen Digitalgeschäft was Google via Internet betreibt.
Vielleicht sollte Google einfach mal Deutschland komplett offline schalten?
In der BrandEins stand zuletzt, dass Websites in wenigen Sekunden sofort 40% weniger Traffic hatten al Google zuletzt mal 4 oder 5 Minuten nicht erreichbar war…
Und, by the way: Ich hab vor Google weniger Angst als Mutti und deren Flachpfeifenkabinett, die Steuergelder für marode Banken im In- und Ausland raushauen.
Bastie Wendt meint
Hi, Du hast schon recht, Siggi Pop wird das kaum schaffen und wie die neu vorgestellte Digitale Agenda ja zeigt, haben die Pfeifen keine Ahnung. Ich sehe jedoch schon durchaus die Möglichkeit, Google Steine in den Weg zu legen, wie bei Microsoft ja auch, schließlich hat man sie erfolgreich gezwungen, Alternativen zum Explorer ins OS zu implementieren und damit die Monopolstellung des IE gebrochen. Dazu kommt natürlich, dass es mit Firefox und Chrome gute Alternativen gab. Ich denke, wenn man in die Richtung arbeitet, muss das nicht zwangsläufig erfolglos sein.
Aber wie gesagt, dass Mutti Merkel und Siggi Pop das schaffen und wollen, halte ich für sehr unwahrscheinlich, ist ja alles Neuland 😉 Aber die aktuelle Meldung von dem Open Source Webindex, der staatlich finanziert werden soll, geht ja in diese Richtung. Aber eine staatlich finanzierte Suchmaschine, da kann ich nur sagen: Nein, Danke! Zumal Google ja weitaus mehr ist, als die reine Suchmaschine, wie das Video oben anschaulich zeigt.
Anyway, danke für deinen Kommentar, ich werde das Thema wohl mal weiter bearbeiten.
Vomitorium meint
Ja, das Video ist sehr gut – lief gestern Abend noch komplett 🙂
Spinnen wir das weiter:
– bei MS wurde damals gesagt, dass das Browser-Bundling etc. das Problem ist und das dem User die Wahl gelassen werden muss
– aber: MS war & ist eben auch auf (fasts) jedem PC vorinstalliert (bzw. ist immer noch bis heute), die Prozesse dahinter sind also bisschen umfangreicher, da MS ja die Lizenzen verteilen muss, der Händler beim Dödel-Markt muss das auf dem Device installen usw.
Bei Google hingegen könnte man höchstens sagen:
„Auf allen Geräten in DE darf Google nicht mehr im Browser als Standardsuchmaschine eingestellt sein“
-> wird nur nichts bringen, denn Google kennt sogar jeder Offliner auf der Straße in einem beliebigen Randbezirk mit entspr. Klientel einer freiwählbaren Großestadt in DE 😉
Ich weiß schon, was du meinst – aber bei MS konnte man sich gegen den Browser kaum wehren, weil er eben dabei war.
Aber auch wenn Google nicht mehr via Standardeinstellung in Erscheinung treten sollte, so wird jeder (auch Neuling am Netz) mit Google konfrontiert, sobald Mitmenschen ihm das erzählen – und hier ist das Problem:
Google hat die besten Suchergebnisse und Mund-zu-Mund-Propaganda kann der Staat niemals verbieten – bei MS hingegen wurde dem User der Browser aufgezwungen, automatisch.
Diese Situation ist in meiner Wahrnemung gänzlich anders.
V.a. an Google kommt man nicht vorbei sobald man mit Leuten über das Netz spricht – früher oder später sagt jemand „Geh doch mal auf Google.tld und suche da“.
Aber nehmen wir mal an, die EU macht „da irgendwas“ – was würde passieren?
Im schlimmsten Fall schaltet Google halt einfach Google.de ab – Ende. (Dann will ich vor allem mal die Holzpresse schreien hören)
Und Google wäre dann nur noch über .com erreichbar – das würde sich auch rumsprechen und dann sucht der Michel eben bei Google.com und erhält da trotzdem deutsche Suchangebote, weil Google via GeoIP & Browserlocale da natürlich auch in deutscher Sprache ausliefert 😀
Die finale Konsequenz könnte dann nur noch sein, dass es eine Vorschrift an alle Provider gibt, die besagt, dass alle Google-Domains von Michel-Land (oder Euroland) aus nicht mehr erreichbar sein dürfen – Google also via Anordnung ausgesperrt würde.
Auch wenn ich mir das nicht vorstellen kann, so ist es den grauen Dumpfbacken aus Brüssel (bzw. Merkel-Macht Berlin) doch zuzutrauen…
Bastie Wendt meint
Die Möglichkeit, einfach per Gesetz zu sperren, besteht sicher theoretisch ja. Aber dass sich die gesetzgebenden Institutionen das trauen, denke ich nicht. Zumal das letztlich wohl auch nutzlos wäre, weil das dann wie du schon sagst, einfach umgeroutet wird, da lachen die Googler wohl drüber 😉 Und ich bin grundsätzlich auch kein Freund von Verboten und schon gar nicht von einem paternalistischem Staatsgebilde. Leute, die das Internet als „Neuland“ bezeichnen tun gut dran, sich einfach rauszuhalten.
Aber ich sehe nicht, dass die Monopolstellung von Google ohne irgendeine Art von Eingriff zu regulieren, bzw. zu stoppen wäre. So könnte man beispielweise darüber nachdenken, die (Zwangs)Verbindungen der einzelnen Google Produkte zu lösen. Nehmen wir als Beispiel das große Geschrei um die Youtube Kommentare, die ja nun nur noch möglich sind, wenn man gleichzeitig auch Google+ nutzt, bzw. sich dort anmeldet. Ist natürlich ein toller Weg, die Nutzerzahlen in die Höhe zu treiben und ein Schelm ist, wer böses dabei denkt 😉
Interessant in diesem Zusammenhang finde ich die Ideen von Daniel Zimmer im Gespräch mit der „Zeit“ hier der Link: http://www.zeit.de/2014/32/datenschutz-google-monopol-wettbewerb
Er denkt über die Entflechtung der einzelnen Dienste nach und was ich besonders gut finde, das über die Kontrolle der persönlichen Daten zu bewerkstelligen. Denn diese Informationen sind es ja, die Google zu dem gemacht haben, was es heute ist. Ohne diese Daten würde es viele Produkte und Dienste gar nicht geben, oder sie wären nicht so gut, dass wir sie nutzen.
Und wie schwer es ist, mit einem guten, wenn nicht sogar besseren Produkt, gegen einen Monopolisten anzutreten, konnte man sehr schön an WhatsApp sehen. Obwohl die Nutzer nun wissen (sollten), dass das Ding so unsicher ist, spielen die Konkurrenten praktisch keine Rolle. Und das Argument ist immer dasselbe: Warum sollte ich Threema oder Telegram oder andere nutzen, wenn meine Freunde doch alle bei WhatsApp sind.
Ich bin großer Fan von Threema, nutze das schon lange vor dem WhatsApp Aufkauf durch Facebook und konnte meine Leute aber nur dadurch „überzeugen“, dass ich nach 2 Wochen Vorwarnzeit meinen WhatsApp Account gelöscht habe und die App vom Handy geworfen. Aber vor so einem harten Zwangsschnitt schrecken die meisten Nutzer wohl leider eher zurück.
Roland meint
Was heißt weniger Traffic? Für diese 5 Minuten mag das zutreffen. Was war aber nach diesen 5 Minuten? Ein Interessent wird wieder kommen. Jemand der ernsthaft etwas sucht wird es auch in 5 Minuten wieder probieren.
Es zeigt mir dass viele ihr Geschäftsmodell auf einem tönernen Bein stehen haben. Wer darunter leidet wenn Google mal hustet der sollte sich ernsthaft Gedanken um seine Zukunft machen. Für ich ist das lediglich ein Zeichen wie schlimm es um manche Firma bestellt ist.
Persönlich gesehen wünsche ich mir einen täglichen Ausfall von Google.
Was die Steuerverschwendung angeht, das ist übel. Da sähe ich lieber das Geld in Förderprogrammen die das Internet voran bringen.
Vomitorium meint
Trafficeinruch:
hatte ich letztens irgendwo in der Holzpresse aufgeschnappt am Rande…
Anyway:
Fakt ist, dass -außer für Megashops wie Amazon und andere bekannte Brands- eingekaufter Traffic absolut überlebenswichtig ist – in dem Sinne, dass sie sonst zu wenig verkaufen (natürlich sparen sie sich auch Marketing-Ausgaben etc., klar)
Abesehen davon leistet sowas wie Google dem Kunden dann gute Diente, da bspw. im SRP auch gleich Pricing-Infos enthalten sind und der Kunde so besser vergleichen kann, als wenn er nur zum „bekannten“ Apothekenshop mit Monpreisen geht, weil er den gerade kennt.
Last but not least:
Du sagst und jetzt bitte erstmal die URL deines natürlich sehr gut laufenden Webshops, damit wir alle hier prüfen können, woher dein Traffic kommt und ob du wirklich so unabhängig von Google verkaufst.
Bastie Wendt meint
Also nur auf Google oder Sumas im Allgemeinen zu setzen, ist sicher hochgefährlich, wenn dadurch das gesamte Geschäftsmodell von dieser Trafficquelle abhängt, ist man dem auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Es gibt sicher auch reichlich andere Trafficquellen, wie die Socials, klar. Nur kommt man eben mit bestimmten Themen (denke an Erotik) nicht wirklich rein. Bei Facebook und Google ist das gar nicht gern gesehen 😉 wobei auch das wieder so eine Doppelmoral ist.
Steht man aber erst am Anfang und will eine Marke etablieren, führt eben erstmal kein Weg an den Suchmaschinen vorbei und man muss zusehen, dass die Seiten so gut sind, dass die User freiwillig wieder kommen.
Und ja, wenn man das Geld, dass der Steuerzahlerbund in seinem jährlichen Schwarzbuch aufzeigt, in die Förderung der Netzinfrastruktur investieren würde, wäre sicher viel gewonnen, aber dass die GroKo das ernsthaft anpacken würde, kann ich nicht erkennen, leider!
Bastie Wendt meint
Ha, da habe ich mich doch glatt an eine Wette hier erinnert 😉 Zwar sind vom 14.08.2014 bis heute noch keine 5 Jahre vergangen, aber es fehlen nur noch drei Monate, ich glaube, die Wette habe ich gewonnen 😉 Oder wird etwa doch die Margrethe VESTAGER zur neuen Kommissionspräsidentin gewählt und macht dann ernst mit ihren Ankündigungen? Ich glaube bei beiden Annahmen: Eher nicht.
Roland meint
Vielen Dank für diesen Beitrag. Er spricht mir aus der Seele. Google ist ein Wirtschaftsunternehmen dessen Bestreben Umsatz und Macht ist. Dieses wird gnadenlos verfolgt. Ein Stopp kann nur der Verbraucher setzen, was ich allerdings zunächst bezweifle. Man müsste ambitionierte Politiker ins Boot holen. Doch an den wichtigen Schaltstellen hat Google längst seine Finger drin.
Ich glaube in D treten mehr Leute aus der katholischen Kirche aus als Googlenutzer abspringen.
Bastie Wendt meint
Hi Roland, vielen Dank für deinen Kommentar, freut mich natürlich sehr, dass ich mit den Gedanken nicht allein bin 😉 Du hast sicher recht, dass mehr Leute aus der katholischen Kirche austreten, als Google Nutzer verliert. Aber, und das will ich nicht vergessen, es gibt ja auch eine Menge toller Produkte von Google, insofern ist die Vormachtstellung nicht unbegründet. Aber eben das von dir angesprochene Ausnutzen der Informationsmacht und der Glauben daran, dass es alle Menschen toll finden, um es mit Mutti Merkels Worten zu sagen, die (angenommene) Alternativlosigkeit, geben mir echt zu denken. Besonders weil es letztlich ökonomische Gründe sind, die den Laden antreiben.
Roland meint
@vomitorium
es gibt keinen Webshop von mir. Es gibt mehrere Seiten die sich unter anderem mit Naturbildung beschäftigen. Einrichtungen wie Kindergärten und Gemeinden besuchen meine Seite und buchen entsprechend. Das erstmal zu Suchmaschinen und Abhängigkeit.
Traffic über Google – heißt das dass ich jetzt alles gutheißen muss was Google macht? Es gibt für alles eine rote Linie und Google überschreitet die regelmäßig und absichtlich (siehe auch hier verlinktes Video). Zuviel Traffic über Google sagt mir dass zu viele Google nutzen und man sich noch mehr anstrengen muss dass sich das ändert. Nur weil etwas jetzt so ist heißt das nicht dass das unveränderlich in Marmor gemeißelt ist.
Ich rege einen Googlefreien Tag an, oder auch zwei. Ist ja mit wenigen Klick im Browser erledigt. Ein zurecht stutzen hat einem Monopolisten noch nie geschadet, schon gar nicht wenn rote Linien überschritten werden.
Bastie Wendt meint
das klingt auch interessant, so ein Google freier Tag. Wäre doch mal ein super Vorschlag für eine #30daychallenge ohne Google 🙂 am besten für Matt Cutts, der macht das ja so gern…